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Im Einsatz in der Ukraine - Eine Ehrenamtliche berichtet
Doro Deeg engagiert sich seit vielen Jahren ehrenamtlich in den Bereitschaften und der Bergwacht. Mit besonderen Einsätzen kennt sie sich aus: Sie war für das BRK bereits rund um den G7-Gipfel 2015 und das Hochwasser 2021 im Ahrtal im Einsatz - vor einigen Monaten ging es dann mit einem Hilfstransport in die Ukraine. Mit uns sprach sie über diesen Einsatz.
Hallo Doro, magst du dich kurz vorstellen?
Na klar! Ich heiße Doro und arbeite ehrenamtlich im BRK bei den Bereitschaften und der Bergwacht – und das seit mittlerweile knapp 10 Jahren. 2013 kam ich nach einer langen Zeit aus dem Ausland wieder zurück nach Hause, also nach Bad Kissingen, und wollte neue Leute kennenlernen. Ich habe dann einen befreundeten Notarzt gefragt, was ich machen kann, um junge Leute kennenzulernen. Der meinte dann „Geh mal zum Roten Kreuz“. Und so bin ich dann hier aufgeschlagen und von einer Sache in die nächste gerutscht.
Wie kam es zu deinem Einsatz in der Ukraine?
Ich muss kurz ausholen. Ich habe polnische Wurzeln, also meine Mutter kommt aus Danzig und mein polnischer Großvater ist in der heutigen Ukraine geboren. Deswegen spreche ich fließend Polnisch und habe auch Verwandtschaft dort. Ich habe einfach den Hörer in die Hand genommen und in meinem Kreisverband angerufen, ob denn rund um diesen Krieg nicht Hilfe gebraucht wird. An einem Dienstag habe ich dann einen Anruf bekommen, dass es am Wochenende los gehen würde und ob ich dabei bin – und da meinte ich nur „Ja, klar!“.
Wie lief der Einsatz ab?
Unser Ziel war es Hilfsgüter, also z.B. Lebensmittelpakete, Hygienepakete und Generatoren in allen Größen, von Ungarn aus in die Ukraine zu transportieren. Ich habe einen der dafür eingesetzten LKW gefahren und habe die Leitung der Truppe übernommen.
Ich bin an besagtem Wochenende Sonntagmorgens nach Hohenfels, um von dort nach Ungarn gebracht zu werden. Zu der Zeit war noch eine weitere Person aus dem Einsatzteam mit mir unterwegs, die ich aber noch nicht kannte. In Ungarn angekommen haben wir uns weiter Richtung Rumänische Grenze aufgemacht, wo wir am Abend in einem Hotel ankamen, die anderen Fahrer kennenlernten und erste Einzelheiten der Route mit uns besprochen wurden. Den ganzen nächsten Tag haben wir dann die sechs LKW beladen, ich glaube bis abends um neun, um dann am darauffolgenden Tag zur ukrainischen Grenze zu gelangen. Wir sind dann in der Ukraine mit einem Begleitfahrzeug bis zu unserem Ziel, um unsere Güter abzuladen. Am nächsten Tag ging es wieder zurück nach Polen, um neu zu beladen und die gleiche Strecke dann wieder in die Ukraine zu fahren. Insgesamt waren wir 21 Tage unterwegs.
Was war das Besondere an diesem Einsatz?
Man würde jetzt vermutlich sagen, dass das Besondere war in einem Kriegsgebiet unterwegs zu sein. Aber ich habe vom Krieg vor Ort wirklich wenig mitbekommen und habe mich auch zu keinem Moment unsicher gefühlt. Ich glaube, dass das daran lag, dass ich für eine der größten Hilfsorganisationen der Welt mit einem durch Schweizer Kennzeichen und mehreren Roten Kreuzen gekennzeichneten Fahrzeug unterwegs war. Aber auch mein fester Glaube, dass dieses Rote Kreuz als Hilfssymbol anerkannt ist, wir politisch neutral sind und die freigegeben Korridore sicher gewählt wurden, das hat mir geholfen – ich wusste, dass unser System funktioniert.
Es war aber auch etwas ganz Besonderes für mich dieses Rote Kreuz überall zu sehen: Wir haben das Italienische Rote Kreuz an der Grenze getroffen, uns gegenseitig zugewunken und gehupt – ja sogar mehrere RTW des Münchner Roten Kreuz kamen uns entgegen. Wir sind auch an so vielen Menschen vorbeigefahren, die uns gewunken oder beklatscht haben. Da habe ich jedes Mal Gänsehaut bekommen. Ich werde auch nie vergessen, als ich meine letzte Fahrt gefahren bin. Ich habe mich super stolz dabei gefühlt, dass wir als Ehrenamtliche so helfen konnten und ein Teil der Aktion waren – ich hatte Tränen in den Augen und war glücklich zu sehen, was wir bzw. das Rote Kreuz erreicht haben. Das hat mich einfach bestärkt in dem was ich tue und mich dafür noch weiter einzusetzen.
Wie hast du als einzige Frau in diesem Team den Einsatz wahrgenommen?
Unser Team war ein zusammengewürfelter Haufen aus ganz Bayern. Keiner kannte sich vorher und dennoch haben wir wirklich toll harmoniert. Ich würde schon behaupten, dass man als Frau bei manchen Dingen evtl. eine andere Sichtweise hat – aber ich hatte nicht den Eindruck, dass ich anders an das Thema rangegangen bin, als meine Kollegen. Ich würde vielmehr behaupten, dass jeder diesen Job machen kann. Bei mir haben nur die Voraussetzungen gepasst, ich konnte die Entscheidung für mich allein treffen und dachte mir „es passt gerade, warum nicht“.
Wie gehst du im Nachhinein mit deinem Einsatz um?
Man wird im BRK sehr gut aufgefangen, falls etwas sein sollte – bei mir war es ein Gespräch mit dem PSNVE-Team, wo danach klar war, dass ich keine weitere Hilfe benötige. Ich selbst wurde aber privat viel auf das Thema angesprochen, die Neugierde der Menschen war einfach enorm – da muss man ein wenig aufpassen, was man erzählt und dass man nicht zu viele Interna preisgibt, schließlich soll die Route ja auch noch für Kolleginnen und Kollegen nach mir sicher sein. Ich weiß aber für mich: Ich würde immer wieder in einen solchen Einsatz gehen!
Vielen Dank für das Interview!