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Menschenrettung darf nicht an Staatsgrenzen scheitern: BRK-Präsidentin fordert dauerhafte Finanzierung für grenzüberschreitenden Rettungsdienst
Seit 2007 gehört die Tschechische Republik zum Schengen-Raum der EU. Damit entfallen Grenzkontrollen und die Staatsgrenze kann von Reisenden aus EU-Staaten ohne zeitliche Begrenzung überschritten werden. Anders und deutlich komplizierter gestaltete sich dies bis 2019 im grenzüberschreitenden Einsatz. Rettungsdienst und Katastrophenschutz endeten an der Staatsgrenze.
Bedauerlicherweise galt bis 2019, dass beispielsweise in Bayern verunfallte tschechische Staatsbürger in ein bayerisches Krankenhaus gebracht werden mussten, weil der Transport in ein ggf. sogar näher liegendes Krankenhaus in Tschechien noch nicht geregelt war. In anderen Fällen versorgte z. B. ein tschechischer Rettungswagen im grenznahen tschechischen Gebiet einen deutschen Staatsbürger, der zur Weiterbehandlung in ein bayerisches Krankenhaus sollte. Dabei kam es sogar vor, dass sich die bayerischen und tschechischen Rettungsdienste an der Staatsgrenze trafen und Patienten unter freiem Himmel von der tschechischen auf die bayerische Trage umbetteten.
Um diesen Missstand zu beseitigen, wurde seitens des Bayerischen Roten Kreuzes in Furth im Wald ein Kompetenz- und Koordinierungszentrum „Grenzüberschreitender Rettungsdienst“ (Gü-RD) geschaffen. Dieses bündelt die Kompetenzen und Interessen aller Rettungsdienste im Grenzgebiet zu Tschechien (acht Landkreise und 25 Rettungswachen) und stellt damit eine qualifizierte Notfallrettung für die Bevölkerung im Grenzgebiet sicher. Dieses Projekt wird vom europäischen „INTERREG V Förderprogramm“ in zwei Projektabschnitten (2016-2019 und 2019-2022) finanziert.
BRK-Präsidentin Angelika Schorer besuchte dieses Zentrum am Montag, den 1. August 2022, gemeinsam mit ihrem Amtsvorgänger und Vorsitzenden des BRK-Kreisverbandes Cham, Theo Zellner, und überzeugte sich erneut von der Wichtigkeit dieses grenzüberschreitenden Projektes: „Im Jahr 2022 darf Lebensrettung an Staatsgrenzen nicht Halt machen. Tschechien und Bayern teilen sich eine rund 360 Kilometer lange Grenze. Vom oberfränkischen Hof bis zum niederbayerischen Landkreis Freyung-Grafenau wird dank dieses Projektes grenzenlos und grenzüberschreitend die rettungsdienstliche Versorgung der tschechischen und deutschen Bevölkerung sichergestellt. Das ist ein Erfolgsprojekt, das dringend fortgesetzt werden muss.“
Gemeinsame Einsatzübungen im Grenzgebiet, einschließlich der Patientenübergabe im Krankenhaus, aber auch die erfolgreiche Entwicklung und Einführung einer Informationsschnittstelle für die Zusammenarbeit der Integrierten Leitstellen in Bayern und in Tschechien und die Programmierung einer deutsch-tschechischen Übersetzungsplattform zur Anwendung in der Notfallkommunikation sind einige Beispiele für die wichtigen Ziele und Errungenschaften dieses Kompetenzzentrums. Mithilfe einer gemeinsamen Plattform können bayerische und tschechische Leitstellen verfügbare Rettungsfahrzeuge auf beiden Seiten der Grenzen in Echtzeit sehen. Dadurch wird sichergestellt, dass jederzeit das nächste und schnellste Rettungsmittel zum Einsatz entsandt wird. Nicht zuletzt bei dem schweren Zugunglück nahe der Ortschaft Milavče bei Domažlice in Tschechien waren 40 Helfer des Bayerischen Roten Kreuzes aus dem Kreis Cham am Unfallort im Einsatz und arbeiteten dank vergangener Einsatzübungen und bestehender gemeinsamer Einsatzkonzepte trotz Sprachbarrieren hervorragend und reibungslos zusammen.
Dieses EU-geförderte Projekt läuft Ende des Jahres 2022 aus. „In knapp 150 Tagen endet dieses Jahr und damit die Förderung der Europäischen Union. Noch immer hoffen wir auf eine Finanzierungszusage der Krankenkassen als verantwortliche Kostenträger des Rettungsdienstes“, stellt BRK-Präsidentin Angelika Schorer fest und ergänzt: „Der grenzüberschreitende Rettungsdienst ist ein Teil der Daseinsvorsorge für die Bürgerinnen und Bürger in den Grenzgebieten.“