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Hindern statt Helfen
Schaulustige geraten zusehends zum Problem für Rettungskräfte. Eine zutiefst beunruhigende Tendenz, der es mit aller Kraft entgegenzutreten gilt. Von der Sichtschutzwand bis zur Strafverhängung: Diese Maßnahmen helfen den Helfern.
Laut Bayerns Innenminister Joachim Herrmann werden Schaulustige an Unfallstellen zunehmend ein Problem. Sie drängeln sich um das Geschehen, stehen im Weg und erschweren so die Arbeit der Rettungskräfte. Besonders gefährlich: Die Versperrung von Zugangswegen. "Gaffer schaffen durch ihre ungezügelte Neugier zusätzliche sowie völlig unnötige Unfallgefahren",
kritisiert Herrmann. Doch nicht nur, dass es durch das Fehlverhalten von Fahrzeuglenkern, die auf der Gegenfahrbahn das Tempo stark drosseln, insbesondere auf Autobahnen häufig zu Folgeunfällen kommt, auch scheint keiner der Fotografierenden und Filmenden an die Würde der Unfallopfer zu denken. Es sei bitter, so Herrmann, dass hier bei vielen Menschen die Einsicht fehle und die Sensationsgier offenbar den Verstand ausschalte.
Gegen Schaulustige soll nun verstärkt vorgegangen werden. Ab sofort werden die Autobahnmeistereien Herrieden und Münchberg bei schweren Verkehrsunfällen auf den Autobahnen A 6 und A 9 spezielle Sichtschutzwände mit einer Länge von bis zu 100 Metern testen. Mauern, noch größer als das Brett vorm Kopf, das Gaffer am Denken hindert. Eine weitaus härtere Maßnahme, uneinsichtige Menschen zum Umdenken zu bringen, kündigt Herrmann mit Verweis auf § 323c Strafgesetzbuch (StGB) an. Wer seiner Pflicht zur Ersten Hilfe nicht nachkommt, begeht eine Straftat. Wer Unfallretter behindert, dem droht eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe. Und auch das Fotografieren bzw. Filmen einer Person in einer Notsituation ist strafwürdig und kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit einer Geldstrafe geahndet werden.
Dass solche Fälle konsequent zur Anzeige gebracht werden, bekam kürzlich ein Autobahngaffer aus Günzburg zu spüren: Der 50 Jahre alte Lkw-Fahrer war aus seinem Fahrzeug ausgestiegen und hatte mit seinem Smartphone gefilmt, wie Ersthelfer auf der A8 vergeblich versuchten, das Leben eines Motorradfahrers zu retten. Polizisten erstatteten Anzeige wegen des Verdachts der unterlassenen Hilfeleistung und der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, der Beschuldigte wurde zu 90 Tagessätzen und einem Monat Fahrverbot verurteilt.
Dabei wäre es so leicht, sich richtig zu verhalten und den Helfern im Einsatz, unter die Arme zu greifen: Dazu gehört es auf keinen Fall den Standstreifen befahren und immer eine Rettungsgasse bilden, um den schnellstmöglichen Zugang der Rettungskräfte zum Unfallort zu gewährleisten. Gleich so gilt es auch, als Unbeteiligter den Unfallort schnellstmöglich zu räumen.
Eigentlich eine Selbstverständlichkeit.
Macht es euch größer, wichtiger oder besonders, Urheber solcher Fotos und Filme zu sein? Ist euer eigenes Leben so langweilig und uninteressant, dass immer mehr von euch diesen Kick brauchen?
Judith Machacek
Wer im Angesicht einer menschlichen Tragödie zuerst an sein Smartphone denkt, anstatt zu helfen, für den ist es höchste Zeit, sich mal Gedanken machen.