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Digitalisierung als Chance
Wir werden immer älter. Der demografische Wandel stellt uns vor eine schwerwiegende Aufgabe: Wie können wir dem Ungleichgewicht zwischen steigendem Pflegebedarf und gleichzeitig zunehmendem Fachkräftemangel wirksam entgegenwirken? Ein Teil der Problemlösung könnte in der stärkeren Nutzung von elektronischen Hilfsmitteln liegen. Eines ist klar: Wer die Zukunft der Pflege gestalten will, muss auch digital denken.
Als Innovationstreiber, als größte bayerische Hilfsorganisation und als bedeutender Wohlfahrtsverband hat das BRK bereits neue Technologien auf den Weg gebracht, die die Versorgung von Patienten und Pflegebedürftigen verbessern. Neue Projekte sind in der Entwicklung.
Digitalisierung und technischer Fortschritt sind keine Bedrohung, sondern eine Chance, bestehende Möglichkeiten und Konzepte um neue Lösungen zu erweitern.
Brigitte Meyer, BRK-Vizepräsidentin
Denn ein Ende des eingangs geschilderten Szenarios ist nicht abzusehen, im Gegenteil: In Zukunft werden immer weniger Pflegekräfte immer mehr pflegebedürftige Personen versorgen müssen. Somit gewinnt der forcierte Einsatz digitaler Technologien auch in der Altenpflege durch sein Potenzial, Zeit- und Personalressourcen zu schonen, zunehmend an Bedeutung. Dabei unterscheidet man drei Verfahrensweisen: die Einführung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), die Implementierung von Robotik sowie der Einsatz vernetzter Assistenz- und Monitoringsysteme.
Informations- und Kommunikationstechnologien
Derzeit liegt der Schwerpunkt der Digitalisierung im Gesundheitswesen eindeutig in der Anwendung von moderner und vernetzter IKT. Zwar beschränkt sich deren Einsatz derzeit noch überwiegend auf Pflegeplanungs- und Pflegedokumentationssysteme, dennoch werden seit einigen Jahren immer häufiger Informationen und Daten entlang des Pflegeprozesses gesammelt und verarbeitet, um damit das Leistungsgeschehen genauer abbilden zu können. Das Ziel ist die Überführung aller Informationen, wie Stammdaten, Pflege- und Therapiediagnostik oder Pflege- und Therapieziele, in vernetzte Informationstechnik-Systeme. Zentrales Element dieser Dokumentation ist die elektronische Patientenakte (ePA).
In der Praxis werden in diesem Zusammenhang seit einigen Jahren verstärkt mobile Lösungen, zum Beispiel digitale Visitenwagen genutzt, die den Pflegekräften den standortunabhängigen Zugriff auf die ePA erlauben. Auch die IT-gestützte und somit vereinfachte Personaleinsatzplanung ermöglicht wertvolle Zeitersparnis. Produkte des sogenannten Wearable Computing bzw. Wearables wie Smartglasses und Smartwatches unterstützen die Arbeit der Pflegekräfte, indem sie Informationen bereitstellen, und tragen so zu deren Entlastung und einer Prozessbeschleunigung bei. Eine Einsatzmöglichkeit in der Altenpflege kann dabei beispielsweise die Anzeige von bestimmten Arbeitsabläufen für die Pflegekraft sowie die Erinnerung an die Medikamentenverabreichung sein.
Intelligente und vernetzte Robotik
Von Roboter-Ärzten, wie man sie aus Science-Fiction-Filmen kennt, sind wir zwar noch weit entfernt. Dennoch kommt in Deutschland bereits vereinzelt Service- und Transportrobotik zum Einsatz. Mit deren Hilfe werden zum Beispiel Lebensmittel und Medikamente transportiert. Pflegenahe Robotik hingegen unterstützt das Personal in Form von sogenannten Patienten- bzw. Personenliftern oder Hebehilfen. Doch ob als intelligente Pflegewagen, per mobiler Aufforderung durch eine Pflegekraft aktiviert, als Begleit- und Orientierungshilfen für Patienten oder als Dienstleister bei Aufräum-, Bring- und Versorgungstätigkeiten: Die ungeklärte Frage nach ihrer Kosteneffizienz ist einer der Gründe, warum Roboter in der Pflege bislang noch nicht zum breiten Einsatz kommen.
Vernetzte Assistenz- und Monitoringsysteme
Der dritte Einsatzbereich digitaler Technologien in der Pflege sind Assistenz- und Monitoringsysteme als spezialisierte Form moderner und vernetzter IKT. Insbesondere auf Sensoren basierende Beobachtungs- und Sicherungssysteme, die sich beispielsweise auf einer Matte im Bett, im Teppichboden, im Bad oder in Wearables (wie Armband, Halskette) befinden, ermöglichen eine ständige Beobachtung von Patienten, ohne dass sich eine Person rund um die Uhr vor Ort befindet. Mit speziellen Ortungssystemen lässt sich die Position einer zu pflegenden Person bestimmen. Diese werden vor allem bei Patienten mit Demenz eingesetzt. Hier alarmieren Wearables die zuständige Pflegekraft, wenn eine Person einen vorab definierten Bereich verlässt, stürzt oder umherirrt.
Die Systeme überwachen darüber hinaus physiologische Parameter wie Blutdruck, Körpertemperatur und Herzfrequenz, die sie im Anschluss direkt an die ePA übermitteln.
IKT, Robotik, vernetzte Assistenz- und Monitoringsysteme: Technische Mittel, die den Eindruck erwecken könnten, auf lange Sicht den Menschen aus der Pflege zu verdrängen, sind in Wirklichkeit zwingend notwendige Helfer, die es überhaupt erst ermöglichen, den bestehenden und zukünftigen Fachkräftemangel zu kompensieren.
Die Digitalisierung der Pflege bedeutet nicht, dass das BRK weniger am Menschen arbeiten will, sondern das genaue Gegenteil. Die technische Unterstützung erlaubt es den Mitarbeitenden in der Pflege, ihre Zeit am Patienten zu investieren bzw. das Betreuungslevel zu halten.
Wolfgang Obermair, stv. Landesgeschäftsführer
Doch noch stellt uns die Digitalisierung in der Altenpflege vor große Herausforderungen. In puncto Technikkompetenz und -akzeptanz gilt es, noch so manche Barrieren zu überwinden. Auch bedarf es einer Standardisierung der Technologien, um Interoperabilität zu gewährleisten. Und nicht zuletzt bei der Frage nach der Refinanzierung herrscht noch große Unsicherheit, die indes durch Evaluierung aus dem Weg geräumt werden kann. Doch nur, indem wir unsere Augen vor den drängenden Themen nicht verschließen, können wir auch in Zukunft Versorgungssicherheit gewährleisten. Das BRK richtet den Blick nach vorne.