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GUS 2018 in Bodelsberg: Über 400 Ehrenamtliche üben Großunfalleinsätze
Kurz vor 24 Uhr am Freitagabend: Das Szenario „Terroranschlag während eines Rockkonzerts“ wird abgebrochen. Die Statisten - oder Mimen wie sie hier genannt werden - stehen nach zwei Stunden am Boden liegend auf, ihre sehr realistisch aussehenden Verletzungen bleiben damit unbehandelt.
Sechs echte Einsätze hatte es während der Übung gegeben Zuviele sagt Gesamtplaner Dr. Michael Stemmler, und läßt über Megafon laut verkünden: Abbruch der Übung. Epileptischer Anfall, Migräne, Kreislaufzusammenbruch, Bandscheibenvorfall ... „und wenn unsere Mimen Probleme haben, dann ist das für mich der absolute GAU“, sagt Jochen Pfaffinger. „Leiter Unfalldarstellung“ steht auf seiner lilafarbenen Rettungsweste. Pfaffinger, Rotkreuzler aus Leidenschaft, ist für die Koordination aller Mimen zuständig, für ihre Gesundheit und Sicherheit, ihren Transport und ihre Unterbringung. Rund 100 sind an diesen vier Tagen im Allgäu mit dabei, die meisten von ihnen junge Leute, die ehrenamtlich hier mitmachen. Sie spielen die Opfer der großen Unfälle, die hier am Bodelsberg beim diesjährigen Großunfallsymposium trainiert werden. Ihre Verletzungen werden aufwändig geschminkt, das machen Gabriele und Sebastian von der Firma RUD - Realistische Unfalldarstellung. Zimperlich darf man nicht sein, wenn man hier mitmacht: Silikon, Schminke, Blasengel und vier verschiedene Sorten Kunstblut gepaart mit Schminktechnik schaffen echt grausig aussehende Wunden. Gabriele hat früher als Anästhesie- und Intensivschwester im Krankenhaus gearbeitet - und es macht ihr sichtlich Spaß, über die am Boden liegenden es Mimen genüsslich noch ein paar Spritzer Kunstblut zu tropfen.
Mehr als 400 Ehrenamtliche Rotkreuzhelferinnen und -Helfer üben beim GUS 2018, dem Großunfallsymposium, wie mit vielen Verletzten auf einmal umgegangen wird. Kaum einer von ihnen hat je selbst solche eine besondere Einsatzlage erleben müssen, kaum einer musste je mit 70, 80 Schwerverletzten gleichzeitig umgehen. Das zu üben ist das Ziel hier - und die Vorarbeiten dazu haben fast ein Jahr gedauert. Die Übungsplaner, Fachdienstleiter für den Betrieb des Basislagers um Michael Stemmler, Landesbereitschaftsleiter Michael Raut und Marlon Beyer haben alles genauestens organisiert und geplant. Ein Selbstmordattentäter, der sich bei einem Rockkonzert in die Luft sprengt, Amoklauf mit Schusswechsel mitten in einem Einkaufszentrum, eine Bombe, die in der Stadt explodiert - das sind nur einige der Schreckensszenarien, die hier geübt werden. Vorbereitet wird das Ganze in Workshops. Es geht in ihnen um die strukturierte Patientenablage, um den Suchdienst des BRK, um das Stoppen von kritischen Blutungen und um die Psychosoziale Notfallversorgung.
Die vielen Teilnehmer sind in ihren großen Bereitschaftszelten untergebracht, die auf einer großen Wiese auf dem Bundeswehrgelände stehen, beheizt, denn nachts ist es empfindlich kühl, auch wenn überall das Zirpen der Grillen zu hören ist. Eines fällt auf: die große Diszipliniertheit aller Teilnehmer. Ruhig und sachlich geht es zu, beim Anstehen in der langen Schlange bei der Essensausgabe genauso wie beim Alarm und der Einsatzübung. Jeder hält sich an seine Aufgaben, hier geht es ums Üben, damit die SEGs, die Schnelleinsatzgruppen, die meist aus ehrenamtlichen Mitarbeitern bestehen, im Ernstfall viel besser wissen, wie sie mit unzähligen Verletzten bei einem Großunfall umgehen sollen. Dass die Polizei zuerst einmal das Gebiet sichern muss und erst dann erlaubt ist zu helfen - das kostet große Selbstdisziplin, erzählt Dirk Pfeiffer, ehrenamtlicher Notfallsanitäter und Soldat, der sehr viele Soldaten für Afghanistan ausgebildet hat und dort viele Monate stationiert war. „Die haben ja alle den Instinkt, erstmal loszurennen und zu helfen“, sagt er. Aber das sei erst dann möglich, wenn keine Gefahr mehr droht - denn der Schutz der Helfer geht vor. Es sei schwer, das durchzuhalten, sagt ein Rettungssanitäter, „wenn alle schreien und um Hilfe rufen“.
Genau dazu sind solche Übungen da: Richtiges und umsichtiges Verhalten einzuüben, auch und gerade angesichts schwerster Unfälle mit sehr vielen Verletzten. Und wenn eine Übung abgebrochen werden muss, so wie die von Freitagnacht, dann verhalten sich alle so, wie es sein soll: Ruhig und diszipliniert packen sie alles zusammen, und fahren gegen halb ein Uhr nachts zurück ins Basiscamp. Es gibt Kuchen und heißen Tee - und ein paar Stunden Schlaf. Denn um fünf am Morgen geht es weiter.