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Prävention und Therapie trotz Distanz? Die MAKS®-Therapie macht das für die professionelle Pflege möglich.
„Gerade jetzt ist es wichtig, dass die möglichen sozialen Kontakte sowie die geistigen und körperlichen Aktivierungen in der professionellen Pflege nicht abgebaut, sondern intensiviert werden. Dadurch verhindern wir einen noch größeren Schaden während dieser schweren Zeit bei den Schwächsten der Gesellschaft – den älteren und dementen Menschen“ (Prof. Dr. Gräßel).
Die Pandemie stellt die professionelle Pflege vor vielfältigen Herausforderungen. Nadja Hofmann (Referentin, Bayerisches Rotes Kreuz) sprach mit Prof. Dr. Elmar Gräßel (Leiter des Zentrum für Medizinische Versorgungsforschung, Universitätsklinikum Erlangen) und Christina Döll (Leiterin Fachbereich Prävention Bayern, IKK classic) darüber, wie wichtig präventive Maßnahmen in der professionellen Pflege sind. Über 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bayerischen Roten Kreuzes haben 2020 eine Zertifizierung abgeschlossen, die ihnen die Durchführung einer speziellen Therapie für Menschen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen und Menschen mit leichter bis mittelschwerer Demenz erlaubt. Gefördert wurde das Weiterbildungsprogramm von der Kranken- und Pflegekasse IKK classic.
Nadja Hofmann: Was ist die MAKS®-Therapie und für wen ist diese gedacht?
Prof. Dr. Gräßel: MAKS® (motorisch, alltagspraktisch, kognitiv, sozial) ist eine nicht-medikamentöse („psychosoziale“) Mehrkomponententherapie mit motorischer, kognitiver und alltagspraktischer Förderung sowie einer soziale-kommunikative Einstimmung in der Gruppe.
Der Schwierigkeitsgrad ist ausgerichtet auf Betroffene mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen im Alter sowie für Menschen mit leichter oder mittelschwerer Demenz.
Nadja Hofmann: Was zeichnet die MAKS®-Therapie gegenüber regulären Anwendungen in pflegerischen Versorgungsformen aus?
Prof. Dr. Gräßel: Die Mehrkomponententherapie ermöglicht den Einrichtungen die Umsetzung von strukturierten und evidenzbasierten Interventionen. MAKS® eignet sich für stationäre und ambulante Einrichtungen und ist in Schulungen erlernbar.
MAKS® wurde vom Zentrum für Medizinische Versorgungsforschung der Psychiatrischen Universitätsklinik Erlangen entwickelt und erforscht. Die MAKS-Therapie® führt zu verlässlichen und nachvollziehbaren Ergebnissen. So wurden in den Jahren 2008-2010 und 2014-2017 zwei großangelegte, wissenschaftliche Studien vorgenommen, um die Wirksamkeit der Therapie zu untersuchen. Es konnte sowohl für die Pflegeheime als auch in Tagespflegen feststellt werden, dass man über den Zeitraum des Anwendungsbereichs tatsächlich kognitive und vor allem alltagspraktische Fähigkeiten durch die MAKS®-Maßnahmen erhalten kann. In Vergleichsgruppen schritten die demenziellen Erkrankungen weiter voran. (Bei Interesse finden Sie die einzelnen Studienergebnisse hier.)
Zudem ist die Umsetzung der MAKS® -Therapie durch umfassendes Material und fertig ausgearbeitete Tagespläne unkompliziert. Mir ist es wichtig, dass Pflege- und Betreuungskräfte, welche mit der MAKS® - Therapie arbeiten, selbst spüren, dass ihre Anwendungen einen positiven Einfluss auf die pflegebedürftigen Menschen haben. Ich glaube fest daran, dass keine Maßnahme funktioniert, wenn diese nicht direkt bei den Handelnden ankommt.
Nadja Hofmann: Was bedeutet Prävention in der professionellen Pflege für Sie?
Christina Döll: Prävention in der Pflege bedeutet für uns als Pflege- und Krankenkasse, dass gesundheitlichen Schwierigkeiten sowohl bei pflegebedürftigen Menschen als auch bei Pflegenden vorgebeugt wird. Präventive Maßnahmen sollten darauf abzielen, die Gesundheit zu schützen und gesundheitliche Risiken zu verringern. Die Pflegebedürftigkeit sollte möglichst verlangsamt werden.
Wir betrachten Prävention demnach aus zwei Perspektiven. Zum einen als Maßnahme zum Schutz des für das Pflegepersonals sowie als Möglichkeit für Pflegbedürftige. In diesem Sinne möchte ich die Aussage von Prof. Dr. Gräßel bekräftigen: für das Pflegepersonal ist es wichtig, dass die Erfolge der Therapie greifbar sind. Ein Präventionsprojekt kann nicht helfen, wenn es nur theoretisch funktioniert. Es muss praxisnah sowie gut strukturiert sein.
Aus diesem Grund freut es uns besonders, dass wir als IKK classic über 50 Tagespflegemitarbeitenden des BRK die Möglichkeit geben konnten, eine MAKS®-Zertifizierung zu absolvieren. So können wir gemeinsam mit dem BRK sicherstellen, dass über 15 Einrichtungen des BRK eine wissenschaftlich evaluierte Therapie für die Tagespflegegäste anbieten können.
Nadja Hofmann: Wie finden die Zertifizierungen statt – welche Rolle hatte die Pandemie auf die Fortbildungen?
Christina Döll: Aufgrund der pandemischen Lage hat sich die IKK classic dazu entschlossen, die drei Zertifizierungstage, die ursprünglich als Präsenzveranstaltungen geplant waren, in Form von Onlineschulungen durchzuführen. Es freut uns, dass dieses Modell von den Teilnehmern gut angenommen wurde und sich bewährt hat.
Nadja Hofmann: Wie kann die MAKS®-Therapie in den pflegerischen Versorgungsformen während der Pandemie eingesetzt werden?
Prof. D. Gräßel: Mit der Pandemie können oftmals die Kontaktintensitäten nicht mehr in derselben Form aufrechterhalten werden. Das heißt: Die MAKS®-Therapie kann und sollte während der Pandemie weiterhin stattfinden, nur mit weniger hilfs- und pflegebedürftigen Menschen in fest etablierten, nicht in stark wechselnden, Gruppen. Zudem sollten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eigene Materialien erhalten, damit die allgemeinen Abstands -und Hygieneregelungen stets eingehalten werden. Kurz gesagt – besonders in schwierigen Zeiten ist es wichtig, dass sich die therapeutischen und pflegerischen Maßnahmen kreativ und flexibel den Gegebenheiten anpassen.
Ich möchte gerne alle MAKS®-Therapeuten dazu motivieren, die MAKS®-Gruppen weiterhin aufrechtzuerhalten. Seien Sie einfallsreich und ermöglichen Sie den hilfs- und pflegebedürftigen Menschen weiterhin, die multimodale, nicht-pharmakologische Demenztherapie zu bekommen. Gerade jetzt ist es wichtig, dass die noch möglichen sozialen Kontakte sowie die geistige und körperliche Förderung nicht vermindert, sondern intensiviert wird.
Nadja Hofmann: Wie schätzen Sie die aktuelle Situation von pflegebedürftigen Menschen, insbesondere für Menschen mit demenziellen Symptomen und deren pflegenden Angehörigen ein?
Christina Döll: Die derzeitige Situation ist für Menschen mit demenziellen Symptomen sehr schwierig. Für diese Personen ist es äußerst wichtig, dass ihr Alltag strukturiert abläuft. Das ist aktuell nicht immer realisierbar. Auch für pflegende Angehörige stellt die Pandemie eine große Herausforderung dar. Auch ihnen fehlt die soziale Komponente. Insgesamt ist die aktuelle Lage für alle Beteiligten als äußerst kritisch zu betrachten.
Prof. Dr. Gräßel: Ich sehe das ähnlich. Aus diesem Grund möchte ich mich dafür aussprechen, dass die Möglichkeiten der Kontakte, die noch möglich sind, verstärkt werden. Ich meine damit Folgendes: Mögliche Interaktionen wie z.B. regelmäßige Telefonate zwischen hilfs- und pflegebedürftigen Menschen und deren Angehörigen sollten ausgeweitet werden. Das ersetzt zwar nicht den direkten persönlichen Kontakt, kann jedoch dazu führen, dass Austausch und emotionale Nähe weiterhin aufrechterhalten werden.
So sollten auch vermehrt digitale Medien verwendet werden. Besonders begrüßenswert ist es, wenn die unterschiedlichen Generationen sich diesbezüglich helfen, um den Umgang mit den entsprechenden Medien gewährleisten zu können. Zum Beispiel können die jüngeren Generationen den älteren helfen, einen Videokontakt mit geliebten Verwandten herzustellen. Das kann viel mehr Nähe herstellen, als ein Telefonat. Einschränkungen sollten dazu führen, dass man zu kreativen Lösungen und alternativen Kommunikationsmitteln greift.
Nadja Hofmann: Wenn Sie sich etwas für die professionelle Pflege wünschen könnten – was wäre das?
Christina Döll: Wir als gesetzliche Krankenkasse würden uns wünschen, dass Pflegekräfte ausreichend Zeit für die Fort- und Weiterbildung haben. Von den Vorteilen der Bildungsmaßnahmen profitieren die Pflegenden selbst, aber auch die Menschen, die sie täglich versorgen. Ich möchte dazu anregen, Fort- und Weiterbildung in der Pflege deshalb immer von beiden Seiten zu betrachten. Wir möchten, dass Pflegekräfte sich selbst gesund halten, um den körperlichen und emotionalen Hürden ihres Arbeitsalltages entgegentreten zu können. Dasselbe wünschen wir uns für die hilfs- und pflegebedürftigen Menschen, damit deren Alltag so angenehm wie möglich gemacht werden kann. Diese Wünsche und Ansätze sehen wir in der MAKS-Therapie als erfüllt an, weshalb wir die Zertifizierung von Pflege- und Betreuungskräften gerne gemäß dem Präventionsgesetz mitfinanzieren.
Prof. Dr. Gräßel: Wenn ich zaubern könnte, hätte ich folgenden Wunsch: Ich möchte, dass die erlebte und gelebte gesellschaftliche Anerkennung für die helfenden Berufe so gut ist, dass sich Menschen zu diesen Arbeitsfeldern hingezogen fühlen. Ich wünsche mir demnach eine intensivere Wertschätzung für soziale und pflegerische Berufe, welche auch nach der Pandemie anhält.