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Zeitzeugen-Projekt: Dezember-Blog
Das erste Drittel des Projekts ist inzwischen vorbei. Diesen Monat hatte ich fünf Interviews verteilt auf die Regionen Nürnberg, Schweinfurt und Würzburg. Zwar sind die Interviewfragen immer auf die jeweilige Person angepasst, doch einige tauchen immer wieder auf. Das und mehr berichtet Laetitia Wegmann im aktuellen Blogbeitrag.
Eine Frage, die ich jeder Person, die im Rettungsdienst tätig war, stelle ist der Umgang mit der psychischen Belastung. Hintergrund der Frage ist, dass man im Rettungsdienst regelmäßig mit Situationen konfrontiert wird, die für die Einsatzkräfte belastend sein können. Heutzutage gibt es die psychosoziale Unterstützung, um den betroffenen Einsatzkräften auch über den Rettungsdienst hinaus zu helfen. Dieses Angebot gibt es aber erst seit etwa 20 Jahren. Zeitzeug*innen berichteten mir daher, dass sie früher oft allein das Erlebte verarbeiten mussten. Wer Glück hatte, hatte die Kolleg*innen oder die Kamerad*innen, mit denen man sich austauschen konnte. Einigen merkt man deutlich an, wie sehr sie das Geschehene und Erlebte noch immer mitnimmt.
Ein anderes Thema, das immer wieder in den Interviews auftaucht, ist die Zusammenführung der Sanitätskolonne mit der Frauenbereitschaft. Diese fand je nach Kreisverband zwischen 1990 und 1993 statt. Doch nicht nur der genaue Zeitpunkt der Zusammenführung unterscheidet sich stark, sondern auch, wie das Ganze angenommen wurde. So gab es Kreisverbände, wie z. B. Schweinfurt, in denen die Zusammenführung problemlos und ohne Gegenwehr stattfand, was wohl auch dem Umstand geschuldet war, dass der damalige Kreiskolonnenführer und die damalige Frauenbereitschaftsleitung miteinander verheiratet sind. Doch nicht in allen Kreisverbänden lief es reibungslos. So spreizte sich die ein oder andere Ehefrau eines Rettungsassistenten dagegen, dass der eigene Ehemann den ganzen Dienst von jungen Frauen umgeben ist. Es gab auch Kreisverbände, in denen zur damaligen Zeit angezweifelt wurde, dass Frauen den Dienst genauso gut bewältigen können wie die Männer. Diese Bedenken wurden dank der Hartnäckigkeit einiger Frauen behoben, in dem sie jeden Tag zur Wache kamen, immer in der Hoffnung, dass spontan und schnell eine Person gebraucht wird, die bei einem Einsatz mitfahren kann. Doch selbst wenn das der Fall war, brauchte es teilweise Überredungsarbeit, dass es die schnellste und beste Option ist, sie selbst mitzunehmen, obwohl sie eine Frau ist und nicht erst einen männlichen Kollegen anzurufen, in der Hoffnung, dass dieser rangeht und schnell zur Wache kommen kann. Aber auch die ein oder andere Frauenbereitschaft war über die Zusammenführung nicht erfreut. Sie wollten lieber weiterhin ihr „eigenes Ding“ durchziehen und nicht mit den Männern zusammenarbeiten.
Besonders schön sind die vielen Erzählungen über die Gemeinschaft und den Zusammenhalt im BRK. Von gemeinsamen Zeltlagern über Faschingsfeiern und nicht selten auch durch das BRK entstandene Ehen und daraus resultierende Kinder.
Ein letztes Thema, das ich in diesem Blogeintrag erwähnen möchte, betrifft die Veränderungen, die im Laufe der Jahre stattfanden.
Ein Punkt, der oft in diesem Zuge angebracht wurde, ist die Dienstkleidung. Einige trauern dem alten Design und vor allem der Uniformfunktion nach, doch alle sind sich einig, dass die neue Materialwahl ein Segen ist. Die alte Uniform war so kratzig, dass man zwingend lange Unterwäsche drunter anziehen musste, was die Uniform besonders an heißen Sommertagen zu einer Herausforderung machte. Auch die Art der Einsätze im Rettungsdienst (aber auch der anderen Bereiche) und vor allem der Umgang mit diesen hat sich drastisch gewandelt. Typische Einsätze vor 30-40 Jahren waren vor allem schwere Autounfälle. Viele nicht angeschnallte Personen in Fahrzeugen, Autos ohne Knautschzone und das Fehlen gesetzlicher Regularien, die heutzutage selbstverständlich sind, wie z. B. die Anschnallpflicht, hatten die Intensität von Unfällen erhöht.
Herzinfarkte und Schlaganfälle galten zu dieser Zeit nicht als akut behandelbare Notfälle, da noch nicht bekannt war, dass bei einem frühzeitigen Eingreifen viele Folgeschäden vermieden oder zumindest vermindert werden konnten, zudem fehlte die Ausbildung und die Utensilien, um dies überhaupt umsetzten zu können. Man konzentrierte sich in der Behandlung vor allem darauf, was man im Nachhinein für die Betroffenen tun konnte. Dadurch wurde in solchen Fällen selten ein Notruf abgesetzt.
Der Rettungsdienst stabilisierte früher die Patienten vor allem vor Ort, um sie dann schnellstmöglich ins nächste Krankenhaus zu bringen, die Versorgung während der Fahrt war weniger üblich, dies war auch der Höhe der Krankenwägen geschuldet. Wer sich Bilder von alten Krankenwägen ansieht, wird feststellen, dass man in diesen niemals aufrecht hätte stehen können. Auch fehlte die dafür nötige Ausrüstung. Anfang der 60er Jahre hatte man kaum mehr als einen kleinen Verbandskoffer, ein paar wenige Medikamente und eine Trageliege. Liegen mit Rollen, Defibrillatoren und Sauerstoffflaschen kamen erst nach und nach dazu.
In der heutigen Zeit ist das Notarztsystem hochprofessionell und flächendeckend etabliert. Doch früher mussten Ärzte für diese Aufgabe hart kämpfen, auch gegen die Ärztekammer, die es nicht gerne sah, dass Ärzte selbst neue Einsatzgebiete ergründeten und nicht warteten, bis die Ärztekammer diese Aufgabe auswies. Auch die ersten Notarztfahrzeuge waren eigene Anschaffungen.
Ein letzter Punkt, der oft genannt wird, ist das früher Rettungskräfte absolute Respektspersonen waren. Die Menschen freuten sich das Rot-Kreuz-Logo zu sehen. Angriffe auf Rettungskräfte waren undenkbar. Ein starker Kontrast zu heute, besonders wenn man an die vergangene Silvesternacht denkt.
Autorin: Laetitia Wegmann