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Sensoren, die Pflegehelfer von morgen
Pflegenotstand. Dieses Wort ist seit einiger Zeit immer häufiger zu hören gewesen und wenn die Dinge fortschreiten wie bisher werden die Stimmen wohl auch nicht leiser werden. Aktuell fehlen 17.000 Fachkräfte in der Pflege, die Zahl der PatientInnen steigt kontinuierlich und mit ihr auch der Bedarf an gut ausgebildetem Personal.
Das Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung mit Hauptsitz in Darmstadt hat jedoch eine Lösung parat. Seit einer Weile beschäftigen sie sich mit Smart-Living-Technologien, die mithilfe von verschiedenen Sensoren und deren Vernetzung miteinander den Alltag der Betroffenen erleichtern sollen. Schon länger haben diese Systeme, das sogenannte Internet of Things (IoT), ihren Weg in die Gesellschaft gefunden, aber aufgrund der allgemein höheren Lebenserwartung der Menschen heutzutage haben sie nun auch die Pflegebranche erreicht.
Eingebettet in ein offenes System können verschiedene Technologien, wie zum Beispiel ein intelligenter Fußboden, der registriert, wenn ein Patient aus dem Bett stürzt oder im Badezimmer einen Unfall hat, oder Bewegungsmelder stark dazu beitragen, die Pflege zu optimieren.
„Wobei die technischen Möglichkeiten nicht das Personal ersetzen, sondern dieses effizient unterstützen sollen.“ - Florian Kirchbuchner, Leiter der Abteilung Smart Living & Biometric Technologies, Fraunhofer IGD
Sie sollen lediglich dabei helfen, die optimale Pflege der PatientInnen zu garantieren und das Pflegepersonal zu entlasten. Das BRK Seniorenzentrum an der Altmühltherme hat seine Räumlichkeiten mit dem AAL-System (Ambient Assisted Living-System) ausgestattet und Marina Schwenk, die Einrichtungs- und Pflegedienstleiterin, ist von seinem Mehrwert überzeugt.
„Vor allem nachts müssen nicht mehr so viele Rundgänge gemacht werden. Die Bewohner erhalten so einen ungestörten Schlaf und vor allem ausreichend Durchschlafphasen.“ - Marina Schwenk, Einrichtungs- und Pflegedienstleiterin
In den Zimmern und Nasszellen gibt es Bewegungssensoren, die bei Stürzen eingesetzt werden und die Betten sind mit Bettverlasssensoren ausgestattet. Alle diese Sensoren sind über einen PC steuerbar.
„Beispielsweise kann man einstellen, dass ein Notruf auf das Schwesterntelefon abgesetzt wird, sobald ein Bewohner das Bett verlässt oder das Bett länger als 5, 10 oder 15 Minuten verlassen hat.“ - Marina Schwenk, Einrichtungs- und Pflegedienstleiterin
Die Daten und Aufnahmen der Systeme werden gespeichert und katalogisiert. Jedoch nicht auf der Cloud, was bei manchen Menschen sicherlich Sorge um die persönlichen Daten hervorrufen würde, sondern zuverlässig im Pflegezimmer, in der betreuten Wohnung oder auch auf einem lokalen Server der Wohnanlage. Doch die Technologien gehen sogar soweit, dass sie nicht nur Unfälle registrieren, nachdem sie passiert sind, sondern schon im Vorfeld.
„Durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz lernt das System ständig hinzu, erkennt Gewohnheiten und Verhaltensmuster. Schon im Vorfeld reagiert das System auf Unregelmäßigkeiten verschiedenster Art.“ - Florian Kirchbuchner, Leiter der Abteilung Smart Living & Biometric Technologies, Fraunhofer IGD
Ein Alarmierungssystem, das in die Software eingebunden ist, vervollständigt das Ganze und entlastet die PflegerInnen noch mehr. Jedoch gibt das System PatientInnen die Möglichkeit, selbst Rückmeldung oder sogar Entwarnung zu geben. Diese Eigenverantwortlichkeit wirkt einem Gefühl der Entmündigung entgegen. Erst wenn keine Rückmeldung erfolgt, meldet das System Alarm und die Meldekette kann im Notfall bis zu einem Rettungsdienst laufen.
Trotz oder vielleicht gerade wegen des Fortschritts trauen viele ältere Menschen den neuen Technologien nicht und befürchten, dass sie von den Systemen ausspioniert oder gar gefilmt werden könnten. Diese Sorge ist aber völlig unbegründet, da der „intelligente Fußboden“ zum Beispiel keine Videokamera ist, sondern lediglich wie ein gigantischer Touchscreen funktioniert. Und es werden auch nur die Daten an entsprechende Stellen weitergeleitet, die auf Gefahr hinweisen. Kameras oder Überwachung sind kein Teil dieser technischen Weiterentwicklung.
„Viele Bewohner oder auch Angehörige denken, dass sie durch die kleinen Sensoren, die sich im Bewohnerzimmer und in der Nasszelle befinden, gefilmt werden und sind deshalb eher skeptisch. Hierbei sollte erwähnt werden, dass lediglich die Aktivität im Raum oder Bett gemessen wird.“ - Marina Schwenk, Einrichtungs- und Pflegedienstleiterin
Ein Problem bei alldem ist jedoch, diese neue Entwicklung in ein bestehendes System zu integrieren. Die Neuanschaffung und Installation sind erst einmal kostenintensiv. Im Seniorenzentrum an der Altmühltherme hat die AAL Technik 80 000 Euro gekostet, was über den Investkosten-Satz sowie Spendenmittel und generierte Zuschüsse finanziert wurde.
Künstliche Intelligenz in der Pflege wird zwar nicht das allumfassende Problem, den Pflegenotstand, im Alleingang lösen, aber es ist ein sehr vielversprechender Anfang, der nicht nur für die PatientInnen eine Hilfe, sondern auch für die PflegerInnen und ihre anstrengenden Arbeitstage eine Wohltat sein wird.